Moon Knight: Legacy Vol. 2: Phases

Marvel

Woher hat Marc Spector eigentlich seine dissoziative Persönlichkeitsstörung? Das geht – wie so oft – auf ein traumatisches Erlebnis aus der Kindheit zurück. Marc (ein jüdischer Junge) entdeckte, dass sein Onkel Yitz ein Hochstapler ist: kein orthodoxer Rabbi, wie es schien, sondern ein Nazi namens Ernst. Nach dem Zweiten Weltkrieg entging Ernst der Strafverfolgung durch die Alliierten, indem er Marcs Großvater benutzte, um sich als Jude auszugeben und fliehen zu können. Ernst kann sein Leben verlängern, indem er sein Lustzentrum im Hirn stimuliert – indem er das tut, was er am liebsten tut: Juden zu töten. Was er in dem Moment der Erklärung auch unter Beweis stellt.

So lernt Marc auch auf die harte Tour, was die Shoah war, nachdem sein Vater ihm dieses Wissen vorenthalten hat. Nach der Enthüllung floh Ernst. Marc entwickelte seine Störung. Damit hat Moon Knight erneut einen neuen Origin verpasst bekommen. Allerdings bleiben da viele Fragen offen, ohne dass sie geklärt werden. Danach geht es in diesem zweiten Band von Max Bemis zunächst wild mit etwas anderem weiter: Fünf Menschen verbinden sich zu einer Einheit und ziehen dann als Monster, das weitere absorbiert, durch die Gegend, bis sich Moon Knight mit ihnen verbindet und in einer gemeinsamen geistigen Sphäre das Übel bekämpft. Das Ganze gleicht einem wilden psychedelischen Trip.

Experimentierfeld Moon Knight

Später sprengt der Held einen geheimen Sadisten-Club, dem besagter Ernst vorsteht (der angeblich gar kein richtiger Antisemit sei, wie er sagt). Dann wird er zur Teilnahme an einem Aufnahmetest gezwungen – wie schon in Band 1 wird Marcs Tochter bedroht, das ist etwas repetitiv. Und ganz ernst nehmen kann man es nicht, denn die Prüfungen werden eher leichtfüßig und humoristisch abgehandelt. Schließlich taucht wieder der Sun King auf, der psychopathische Schurke und Mörder aus Band 1, um gemeinsam mit Moon Knight gegen Ernst und Co. zu kämpfen. Der Sun King hat einen plötzlichen Sinneswandel durchgemacht und der Held vertraut ihm ohne große Bedenken. Das wäre normalerweise seltsam, aber auch hier wird alles so locker inszeniert, dass man es nicht ernst nehmen kann. Und genau das ist das Problem. Autor Max Bemis schafft es nicht, ein Gleichgewicht zwischen Ernsthaftigkeit und Komik herzustellen. In der (konstruierten) „Jubiläumsausgabe“ 200 soll ein großes Finale stattfinden, aber ohne dass man emotional involviert wäre. Große Kämpfe werden in belanglosen Wimmelbildern abgehandelt und der Endkampf endet (wie so oft) etwas zu einfach. Außerdem redet der Sun King zu viel, sodass die Hauptfigur aus dem Fokus gerät.

So bleibt die Frage zurück: Wer ist eigentlich dieser Moon Knight? Was macht ihn aus? Irgendwie zwar vieles auf einmal, aber nichts richtig. Nach diesem Band verstärkt sich der Eindruck, dass Moon Knight mehr ein Experimentierfeld als ein Superheld ist. Mit ihm wurde in den letzten Jahren so ziemlich alles getrieben, was den Autoren einfiel – und das war zunächst erfrischend, aber im Vergleich auch so inkonsistent, dass man diesen Titelhelden kaum noch festlegen kann. Zuerst war Marc Spector nur ein Söldner mit mehreren Tarnidentitäten. Dann wurde aus ihm ein Held, der von einem ägyptischen Gott von den Toten auferweckt wurde, dann wurde alles für eine Einbildung und Geisteskrankheit wegerklärt. Nun kommt auch noch eine Hintergrundgeschichte hinzu, die zwar die Persönlichkeitsstörung erklären soll, aber wenig zum Charakter beiträgt.

Einerseits ist es interessant, mit Superheldencomics Neues zu versuchen, und wie hier auch psychische Probleme zu behandeln, doch dabei sollte man seinen Hauptcharakter nicht vergessen und das, was ihn ausmacht. Moon Knight sollte mehr sein als nur eine „gespaltene Persönlichkeit“. Und auch vier Persönlichkeiten machen aus ihm noch längst keinen Charakter. Es wäre Zeit, wieder einer zu werden.

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