Kritik

Daredevil: End of Days

Marvel

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Wenn Orson Welles Daredevil geschrieben hätte, wäre wohl End of Days (2012, dt. Das Ende aller Tage, 2014) dabei herausgekommen. Die siebenteilige Mini-Serie geht davon aus, dass Matt Murdock im Kampf gegen Bullseye getötet wird. Daredevils letztes Wort: Mapone. Reporter Ben Urich versucht herauszufinden, was das bedeuten könnte. Nur so viel ist klar: ein Schlitten ist es nicht.

Wie in der Vorlage Citizen Kane geht der Reporter Klinkenputzen: von Weggefährten wie Black Widow und Elektra bis zu Gegnern wie dem Punisher. Doch die meisten haben keine Lust, Auskunft zu geben, wissen nichts oder vertrösten ihn mit rätselhaften Antworten. In Rückblenden wird klar, dass Daredevil einst selbst zum Kingpin aufgestiegen ist und schließlich sogar Wilson Fisk ermordet hat. Seine Rechtfertigung: „I tried everything else.“

Das Szenario ist dystopisch: Die Zeitung Daily Bugle steht kurz vor dem Ruin, die Redaktion ist ausgedünnt, James Jonah Jameson ist ein unermüdlicher Idealist, der als Chefredakteur seine Reporter zu motivieren versucht. Im Gegensatz zu dem Journalisten in Citizen Kane ist Ben Urich nicht nur eine Funktion, sondern der eigentliche Held der Geschichte. Zunächst geht er seiner Story nur widerwillig, aber nicht unemotional nach: Er hat eine persönliche Bindung zu Murdock und gerät bei seiner Recherche selbst in Gefahr. Dabei wird er von Daredevil gerettet – doch wer steckt hinter der Maske? Ist Murdock vielleicht nicht tot?

Wenn man sich erst einmal an den sperrigen Zeichenstil von Klaus Janson gewöhnt hat, entfaltet End of Days seine ganze Pracht: gemalte Splash Pages von Bill Sienkiewicz, Doppelseiten mit bis ins kleinste Raster fragmentierte Sequenzen, die an Frank Millers Stil in The Dark Knight Returns erinnern. Brian Michael Bendis und David Mack beweisen mit dieser Mini-Serie ihre Meisterschaft als Erzähler einer eindringlichen und sehr menschlichen Story. Wäre es wirklich die „letzten Daredevil-Story“, wäre sie wohl der würdigste Abschluss, den sich ein Superheld wünschen kann. Das Werk muss den Vergleich mit Orson Welles Citizen Kane nicht scheuen. Ein moderner Klassiker.

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