Frank Miller

Daredevil: Love & War (1986)

Marvel

Der Kingpin (Wilson Fisk) entführt den Arzt Paul Mondat und seine blinde Frau Cheryl, damit dieser Fisks Frau Vanessa heilt. Sie ist noch immer schwer traumatisiert von ihrem Beinahe-Tod und ihrer Odyssee durch die Kanalisation von New York. Fisk hätte den Arzt auch einfach engagieren können, aber dann hätte dieser bloß einen Job erledigt. Doch Fisk will wahre Hingabe – nur wenn Mondat Vanessa heilt, kriegt er seine Frau zurück.

Doch leider hat der Kingpin dafür den falschen Mann engagiert. Denn Cheryls Entführer Victor ist ein Psychopath mit ausgeprägter Mordlust. Nachdem Daredevil Cheryl zu sich in Sicherheit bringt, läuft Victor durch die Stadt, mordet und sucht Anwalt Matt Murdock zu Haus auf …

Love & War ist nicht einfach nur eine Daredevil-Story. Auch keine weitere Frank-Miller-Story. Das Besondere daran sind die Bilder von Bill Sienkiewicz. Der Meister fährt hier zu Höchstleistungen auf. Im surrealistischen Stil überzeichnet er seine Figuren: Der Kingpin erscheint als riesiger Klotz, der kaum ins Panel passt, Victor wie ein wilder Pavian, Daredevil oft nur eine rote Schliere. Alles scheint sich hinter einem Schleier abzuspielen, Sienkiewicz spielt mit verschiedenen Unschärfen und Verzerrungen. Kurz: Jede Seite wird zum Erlebnis. Damit wird Love & War zu einem Vorreiter für ein Werk wie DCs Arkham Asylum von Grant Morrison und Dave McKean, das drei Jahre später erschien.

Aber auch Frank Miller erzählt ungewöhnlich. Love & War ist überwiegend nicht aus der Sicht von Daredevil erzählt, sondern aus Sicht der Schurken: Wir sehen den paranoiden Fisk als Kontrollfreak, während sein Scherge Victor außer Kontrolle gerät. Die Wendung am Ende überrascht (ACHTUNG: SPOILER!): Mondat nimmt Fisk die Frau weg. Nicht gerade glaubwürdig, aber trotzdem folgerichtig. Der Kingpin ist so blind vor Liebe, dass er das Wichtigste aus den Augen verliert. Im Krieg und in der Liebe sind eben nicht alles erlaubt.

Der Held trifft erst spät ein und dann sieht man ihm bei der Arbeit zu. Statt es sich einfach zu machen, aus dem Nichts aufzutauchen und wieder zu verschwinden, sehen wir ihm dabei zu, wie er mühsam Kingpins Turm hinaufklettert – mit einem Wurfhaken, Etage für Etage. Das Treibt die Spannung buchstäblich in die Höhe, erst recht, wenn parallel dazu die blinde Cheryl sich allein gegen den Mörder zur Wehr setzen muss.

Ein bildgewaltiges Meisterwerk.

Love & War ist erschienen im Sammelband Daredevil by Frank Miller and Klaus Janson Vol. 3.

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Daredevil by Frank Miller and Klaus Janson Vol. 3

Marvel

In seinem vorläufigen Finale erzählt Frank Miller von Überreizung und Ninjas. Anfangs hält sich Daredevil im Hintergrund. Seine Flamme Heather Glenn entdeckt, dass das Unternehmen ihres Vaters krumme Geschäfte macht, mit denen sie nichts zu tun haben will. Doch anscheinend sind ihr die Hände gebunden, sie hat alle Verantwortung abgegeben, wurde getäuscht. Foggy Nelson will ihr helfen, da rauszukommen. Als es ihm legal nicht gelingt, versucht er es auf halbseidenem Wege, undercover als „Guts“ in der Unterwelt.

So bringt er sich in Gefahr, und Daredevil agiert als Schutzengel, der ihn im Hintergrund aus der Misere prügelt, dann aber im Hafen ins Wasser stürzt und einer Strahlung ausgesetzt wird, die seine Sinne verrückt spielen lässt – er hört jetzt unerträglich laut, allerdings nicht immer, sodass er es mit Leichtigkeit gegen den neuen Stilt-Man (Turk) aufnehmen kann, aber der vertrottelte Turk ist ohnehin eher ein Comic-Relief-Charakter. So bekommt ein von Anfang an alberner Schurke die Behandlung, die er verdient: als ironische Nostalgie.

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Das Ausmaß der Story mag nicht bedeutend sein, aber sie ist dafür umso meisterhafter erzählt. Miller gibt Zeichner Klaus Janson Skripte vor, in denen die Layouts wunderbar mit dem Raum der Seite spielen. Der Stilt-Man bekommt lange vertikale Panels, Foggy zieht ein langes rotes Band durch die Leere hinter sich her, nachdem er „red tape“ als Redewendung für Bürokratie bzw. Papierkram verwendet hat, Daredevil überschreitet Panelgrenzen, oft lässt Miller Sequenzen einfach wortlos für sich sprechen, ohne den üblichen inneren Monolog des grübelnden Helden, wenn Matt an der Lautstärke leidet, wird er von riesiger werdenden Buchstaben beinahe erdrückt usw.

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Daredevil by Frank Miller & Klaus Janson Vol. 2

Marvel

Der Gladiator scheint wieder zurück zu sein. Er greift nachts ein Paar auf der Straße an. Daredevil ist zur Stelle, um Hilfe zu holen. Als kurz darauf Melvin Potter in der Nähe des Tatorts gefunden wird, scheint die Polizei ihren Schuldigen gefunden zu haben. Doch Potter wird verteidigt von Matt Murdock – und der ist nicht überzeugt von der Schuld.

Als Matt jedoch Melvin mit seiner Assistentin Becky Blake aufsucht, bricht sie zusammen, denn der Gladiator hat sie einst so verprügelt, dass sie seitdem im Rollstuhl sitzt. Melvin droht tatsächlich, rückfällig zu werden. Matt kan ihn davon abhalten. Schließlich kann Daredevil den Gladiator aufspüren und überwältigen. Es handelt sich um einen Doppelgänger: Michael Reese. Er ist für Beckys Zustand verantwortlich.

The Hand gegen Murdock

Als der Prozess um Melvin Potter läuft, findet Elektra heraus, dass die Ninja-Organisation The Hand Matt Murdock umbringen will. Matt kann sich gut alleine gegen vier Ninjas wehren, dann lösen die sich in Rauch auf. Hinter dem Auftrag steckt der Kingpin, der dadurch Daredevil aus der Reserve locken und loswerden will. Beim zweiten Mal rettet ihn Elektra, doch durch eine Bombenexplosion verliert er seinen Radarsinn, was ihn aber nicht daran hindert, weiterhin den Helden zu spielen – und das sogar ohne größere Einbußen.

Elektra befreit Melvin Potter aus einem Gefangenentransport, gibt ihm seine Rüstung und bekämpft mit ihm und Daredevil die Ninjas. Da schickt The Hand seinen Elite-Killer, um Elektra zu töten: den angeblich unsterblichen Jonin. Um an sie heranzukommen, versuchen sich die Ninjas zunächst an Attentaten an Foggy Nelson, die aber Daredevil vereitelt. Gemeinsam mit Elektra bekämpft er die Schurken.

Daredevils Lehrer: Stick

Als DD aber mit ihr anzubandeln versucht, wirft sie ihn aus dem Fenster. Mit seiner Heather scheint er es nicht mehr ernst zu meinen. Er interessiert sich mehr dafür, wieder seinen Radarsinn zu erlangen. Dabei soll ihm sein alter Lehrer, Stick, behilflich sein. Auf einmal suchen alle drei nach Stick: Daredevil, Elektra und sogar Heather.

Als er gefunden ist, lässt sich Matt erneut von ihm trainieren. Während Matt blind mit Pfeil und Bogen auf eine Zielscheibe schießen soll, konfrontiert er sich mit seinen inneren Dämonen, die in der Vergangenheit liegen, sodass alle neuen Leser eine kleine Einführung in Daredevils Anfänge bekommen. Obwohl Stick ein strenger Lehrer ist, der Matt misshandelt, findet dieser auf den rechten Pfad und zu seinem Radarsinn zurück.

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Doch dann rekrutiert Kingpin Elektra und hetzt sie zunächst auf einen Informanten, der den Bürgermeisterkandidaten Cherryh der Korruption bezichtigt sowie auf Daily-Bugle-Reporter Ben Urich. Schließlich wird Daredevil in eine Falle gelockt und es kommt zum Showdown mit Elektra. Sie verletzt ihn am Fuß mit einer Bärenfalle und begräbt ihn unter einer einstürzenden Mauer, doch er kommt mit dem Leben davon und macht mit Gips am Fuß weiter, sodass er mit größter Mühe in der Kanalisation Wilson Fisks totgeglaubte Frau Vanessa aufspürt und zu ihm zurückbringt. Dafür darf DD weiterleben, aber weil irgendjemand sterben muss (Kingpin-Logik), soll Elektra Foggy erledigen. Sie traut sich aber nicht und da zufällig Bullseye aus dem Knast ausbricht, wird er auf sie angesetzt.

ACHTUNG SPOILER!

Im Showdown tötet Bullseye Elektra. Außerdem findet er heraus, dass Daredevil Murdock ist. Nach einem Kampf mit Daredevil wird Bullseye schwer verletzt und landet im Krankenhaus.

Frank Miller probiert für sein Erzählen neue Perspektiven aus: Mal erzählt er aus der Sicht von Ben Urich, mal aus der von Bullseye (Benjamin Poindexter). Visuell macht er ausgiebig Gebrauch von vielen kleinen schmalen Panels, die besonders dramatische Momente wie in Zeitlupe inszenieren. Dabei kommt er völlig ohne Worte aus. Beim letzten Kampf mit Daredevil wird Bullseye nur als schwarze Silhouette mit weißen Kreisen und Handschuhen gezeigt.

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Zwischendurch lässt Miller den Helden auch auf Iron Fist und Power Man (Luke Cage) treffen, die als Bodyguards für Matt Murdock engagiert werden. Schließlich wird Daredevil auch erstmals mit dem Punisher konfrontiert. Dessen Methoden (Mord) kommen bei Hornhead nicht so gut an. Schließlich schafft er es, den Punisher hinter Gitter zu bringen.

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Daredevil #170-172 (1981): Kingpin & Bullseye

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Der Kingpin ist eigentlich ein Spider-Man-Schurke, der seinen ersten Auftritt in The Amazing Spider-Man #50 (1967) hatte und sich 1981 in Ruhestand befand. Dann hat ihn Frank Miller zurückgeholt und mit Daredevil konfrontiert – was den Kingpin bis heute zum Erzfeind des Helden machte.

Wilson Fisk hat also dem Verbrechen abgeschworen und sich mit seiner Frau Vanessa nach Japan zurückgezogen, wo er sich die Zeit damit vertreibt, acht Leute gleichzeitig zu verprügeln. Da kommen ein paar alte Weggefährten auf die Idee, den Kingpin endgültig zu erledigen. Zuerst entführen sie seine Frau und verlangen die Beweise, die er über sie gesammelt hat, dann soll Bullseye Fisk töten.

Bullseye wurde nach einer Hirn-OP freigelassen, da er wegen seines Tumors als unzurechnungsfähig eingestuft wurde. Daredevil wird beinahe von ihm getötet (und kann sich dank einer USA-Flagge vor einem tödlichen Sturz retten), dann vom Kingpin. Sobald er herausfindet, dass der Held ihm seine Akten stehlen will, setzt er Killer auf ihn an. Aber einfach nur erschießen und ins Wasser werfen hat keinen Stil, sie stecken ihn lieber ins Wasserrohr, was ihm Gelegenheit gibt, lebend rauszukommen.

Der Kingpin übernimmt daraufhin wieder die Unterwelt, rekrutiert Bullseye, bevor dieser ihn töten kann. Wieder kommt es zum Duell mit Daredevil. Diesmal ohne Waffen, wünscht sich der Held, doch dann verwendet Bullseye den „billy club“ gegen ihn. In einem beeindruckenden Würgeduell (neun schmale Panels) schließlich triumphiert DD. Am Ende taucht Kingpin auf, lässt ihn am Leben, übergibt ihm die Beweise gegen seine Feinde und auch Bullseye.

Das ist der Beginn einer wunderbaren Feindschaft.

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Daredevil #169 (1981): Devils

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Bullseye ist wieder da! – Und das ausgerechnet kurz vor Weihnachten … Als er von einem Hirntumor befreit werden sollte, hat er sich während der Operation befreit und irrt nun durch die Stadt. Der Tumor lässt ihn halluzinieren: Überall und in jedem sieht er seinen Erzfeind Daredevil. Also läuft er Amok und tötet wahllos Unschuldige.

Dann setzt sich Bullseye in ein Kino, wo gerade The Maltese Falcon (dt. Die Spur des Falken) läuft, der Film-Noir-Klassiker von 1941 mit Humphrey Bogart, der auf einem Roman von Dashiell Hammett basiert. Und hier findet der eigentliche Höhepunkt der Story statt, denn während Bullseye auf Zuschauer losgeht, sind zwei Filmfreaks mit Fachsimpeleien über die historische Bedeutung des Films beschäftigt. Hier erweist sich Frank Miller als verspielter Erzähler, der gerne einem Amoklauf einen cineastischen Mini-Essay gegenüberstellt.

Als Bullseye die beiden Nerds entführt, legt er dar, dass nur in Filmen die Guten gewinnen: „In real life, if he’s quick and smart and nasty enough — the bad guy wins!“ Diese Beobachtung scheint auf Comics nicht zuzutreffen, denn bisher hat Daredevil immer gesiegt (genauso wie alle seine Kollegen) und Bullseye hat auch noch keinen Triumph erlangt, aber vielleicht muss er halt noch schneller, smarter und fieser werden. Vielleicht denkt er, man muss es nur oft genug versuchen, bis man Erfolg hat.

Spoiler: Auch hier wird nix draus.

Nach dem Endkampf ist Daredevil zu erschöpft, um den bewusstlosen Bullseye vor der einfahrenden U-Bahn zu retten. Er verdiene zu sterben, denkt sich der Held, Bullseye würde sonst wieder töten. Er hasst ihn – und ringt sich dann doch dazu durch, seinen Todfeind nicht sterben zu lassen. Diese Entscheidung verteidigt er am Ende auch im Disput mit dem Polizisten Nick Manolis, der Daredevil die Schuld an Bullseyes nächsten Opfern gibt. Daredevil antwortet nicht – er weiß, er hat das Richtige getan.

Übrigens: Elektra findet heraus, dass Matt Murdock bereits eine andere hat … Dazu später mehr.

Mehr Bullseye:

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Daredevil #168 (1980): Elektra

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Frank Miller beginnt als Autor für Daredevil mit dem Auftritt einer neuen Frauenfigur, die sofort zum festen Repertoire wird: Elektra. Daredevil jagt einen Dieb namens Alarich Wallenquist, der Zeuge in einem Mordfall ist, aber nun vom Gangster Eric Slaughter beschützt wird. Daredevil will Wallenquist finden, um einen Mann zu retten, der zu Unrecht für den Mord beschuldigt wird. Als er gerade einen Verdächtigen ausfragen will, kommt ihm Elektra dazwischen, eine leicht in Rot bekleidete Kopfgeldjägerin mit einer japanischen Saigabel und tritt ihn k.o. Ihre Ansage ist klar: Entweder DD hilft ihr, das Kopfgeld für Wallenquist einzusammeln oder sie tötet ihn.

Für Daredevil ist Elektra eine alte Bekannte. Als Matt Murdock hat er sie an der Uni kennengelernt. Zuerst wollte sie nichts mit ihm zu tun haben, da er blind war, doch dann beeindruckte er sie mit seiner Akrobatik und kriegte sie doch noch rum. Eine zweifelhafte Frau, aber für eine Weile waren Matt und Elektra zusammen. Doch dann wurde sie mit ihrem Vater entführt und als Geisel genommen.

Matts erster Auftritt in roter Maske

Matt bindet sich einen roten Schal um den Kopf, den er Elektra schenken wollte, und spielt den Helden. Er dringt ins Gebäude ein, schaltet die Geiselnehmer aus, doch Elektras Vater wird unglücklicherweise von der Polizei erschossen. Elektra verliert ihren Glauben ans Gesetz und verlässt die Uni und Matt, weil er Teil dieser Welt ist, mit der sie nichts mehr zu tun haben will.

Bei der finalen Konfrontation mit Slaughter und Wallenquist am Hafen wird Elektra im Alleingang mit den Gangstern fertig, doch dann erweist sich ihre leichte Bekleidung als fatal: ein Giftpfeil trifft sie und Slaughter will sie im Fluss ertränken. Man hätte sie auch erschießen können, auch schon vorher, aber … na ja, so sind Comicschurken halt. Tief in ihren Herzen wollen sie ihren Gegnern stets eine zweite Chance geben. Da eilt Daredevil zur Hilfe, rast mit einem Wasserflugzeug in die Bande rein, mit einem Stockwurf ist Wallenquist erledigt und Elektra gerettet. Ein Küsschen noch und das war’s dann. Elektra bleibt weinend zurück. Fürs Erste.

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Peter Parker, the Spectacular Spider-Man #27-28: Daredevil

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Spider-Man ist erblindet. Schuld ist der Masked Marauder. Wer wäre da ein besserer Blindenführer als Daredevil? Doch in dem Fall spielt er eher einen Babysitter, denn trotz seiner Beeinträchtigung schwingt sich Spidey von Gebäude zu Gebäude und bringt sich dabei fast um. DD muss ihm das Leben retten. Dabei verstaucht sich Spidey einen Knöchel. Zum Dank will er DD dann auch noch eine verpassen.

Doch das ist nur der Frust, der aus seinen Fäusten spricht. Spidey wäre lieber tot als blind zu sein, er badet in Selbstmitleid. DD bringt ihn wieder zur Vernunft und zu einem Augenarzt, Dr. Orlock. Der gibt ihm wieder Hoffnung, dass sich seine Augen wieder regenerieren könnten. Er müsse sich nur ausruhen. Doch Spidey will sich nicht ausruhen, er will den Masked Marauder schnappen. Und so schwingen sich die beiden Blinden weiter durch die Gegend. Spidey lernt in Windeseile, sich wie Daredevil zu orientieren.

Spider-Man reitet auf der Atombombe

Der Masked Marauder hat inzwischen einen neuen Tri-Man geschaffen, der sich als „Bombdroid“ in eine fliegende Atombombe verwandeln kann. Die beiden Helden folgen einem Ortungssignal in das Versteck des Schurken – da fliegt der Tri-Man auch schon los. Während DD allein gegen den Marauder und dessen Handlanger kämpft, hängt sich Spider-Man an die Bombe, entschärft sie mit bloßen Händen und versenkt die Hülle im Central Park, ohne dass New York in die Luft fliegt oder irgendjemand zu Schaden kommt.

Und zur Belohnung kann der Spinnenheld am Ende wieder sehen. Da platzt schon der nächste Störenfried in Peter Parkers Leben: Carrion – aber das ist eine andere Geschichte.

Übrigens: Dies ist die erste Daredevil-Story, die Frank Miller zeichnen durfte.

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Daredevil #159-161: Bullseye

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Ein gewisser Poindexter setzt ein Kopfgeld auf Daredevil aus: (nur) eine halbe Million Dollar. Der Gangster Eric Slaughter und seine Männer nehmen das Angebot gerne an, locken Daredevil in eine Falle und gehen auf ihn los – doch, o Wunder, sie scheitern. Da wird Mr. Poindexter wohl selbst die Sache erledigen müssen. Wie gut, dass er Bullseye ist, der Mann, der (fast) nie verfehlt.

Warum nicht gleich so? Sonst gäbe es das mysteriöse Setup nicht. So ist es spannender. Bullseye entführt Black Widow. Daredevil vermöbelt zwischendurch ein paar Gangster, bis die Spur zum Vergnügungspark in Coney Island führt. Auf einer Achterbahn hat Bullseye Black Widow gefesselt. Daredevil stürzt sich ins Kampfgetümmel und in den Kugelhagel, doch dann stellt sich heraus, dass da nur eine Widow-Puppe hing.

DD wusste das längst, klar. Nur wieso hat er dann sein Leben dafür riskiert? Egal. Showdown im Zirkus mit Messerwerfer. Auch hier lässt Bullseye lieber machen als selbst zu werfen. Doch Natasha wartet nicht, bis sie gerettet wird, sondern befreit sich selbst. Da eilt auch schon Daredevil herbei, um Bullseye zu vermöbeln. Da kann der Schurke noch so viele Bälle nach ihm werfen, der Teufel triumphiert.

Als Bullseye dann die Gelegenheit hat, seinen Gegner zu erschießen, tut er es nicht. Der Mann ohne Furcht schüchtert ihn zu sehr ein. Und auch sein Schießbefehl an Slaughter und seine Jungs wird nicht erhört. DD hat sich Respekt in der Unterwelt verdient. Der große Bullseye schrumpft auf Kleinformat, was sich auch in Frank Millers Panels bemerkbar macht.

Übrigens: Währenddessen findet Reporter Ben Urich heraus, dass Daredevil Matt Murdock ist …

Mehr über Bullseye:

Daredevil: The Man Without Fear (1993)

Marvel Comics

Bescheiden war Frank Miller noch nie. Musste er auch nicht, denn was er in den 80ern mit Daredevil und Batman angestellt hat, waren nicht bloß exzellente Superhelden-Geschichten, er schrieb damit auch Comic-Geschichte: Was The Dark Knight Returns für Batman war, das war Born Again (dt. Auferstehung) für Daredevil. Doch dann kam Miller mit Year One zu Batmans Ursprüngen zurück, und so lag es nahe, dass er auch Daredevils Entstehungsgeschichte neu erzählte: „Let’s make this the Daredevil bible“, soll Miller Ende der 80er zu seinem Zeichner-Kollegen John Romita Jr. (Sohn eines frühen Daredevil-Zeichners) gesagt haben. Geplant war zunächst ein 64-seitiger Comic, dann kamen noch 90 Seiten dazu, doch dann verzögerte sich die Veröffentlichung bis 1993 und am Ende erschien The Man Without Fear als fünfteilige Mini-Serie.

Miller und Romita erzählen streng chronologisch die Geschichte von Matt Murdocks Jugend vom Kind bis zum selbständigen Anwalt, vom Rächer in zivil bis zum maskierten Vigilanten. Wie in der ersten Staffel der Netflix-Serie bekommt er auch hier sein rotes Kostüm erst zum Schluss.

Niemals aufgeben

Im Vordergrund steht – wie schon bei Born Again – nicht der Superheld, sondern der Mensch Matt Murdock. Die Geschichte hat im Wesentlichen drei Teile: Im ersten geht es um Matts Beziehung zum Vater, dem Boxer, der für einen Gangster Schutzgeld eintreibt und dann ermordet wird, nachdem er im Ring nicht zu Boden gehen will. Der Vater impft dem Sohn den Gedanken ein, dass es okay sei, zu verlieren, aber man niemals aufgeben dürfe. Andererseits schärft er Matt auch ein, seine Probleme nicht mit den Fäusten zu lösen. Der Sohn erblindet bei einem Unfall, wird von einem alten Blinden namens Stick darin ausgebildet, seine anderen Sinne zu schärfen und zu kämpfen. Schließlich rächt der Sohn den Vater, dabei kommt durch ein Versehen eine unbeteiligte Frau um – eine Schuld, die Matt noch lange verfolgen wird.

Im zweiten Teil hat Matt als Student eine Affäre mit Elektra, einer verzogenen Überfrau, die alles kann und aus Spaß Vergewaltiger in engen Gassen tötet. Auch Matt ist für sie zunächst ein Spiel, bis sie in ihm einen Gleichgesinnten findet. Matt erscheint hier allerdings allzu naiv und buchstäblich blind vor Liebe. Nach dem Tod ihres Vaters verlässt Elektra ihn plötzlich. Obwohl durch die Figur eine gewisse Leichtigkeit und auch ein wenig Witz in die Story kommt, bleibt diese Episode ohne großen Bezug zum Rest der Handlung in der Luft hängen.

Im dritten Teil legt sich Matt schließlich mit dem organisierten Verbrechen an und macht sich bei seinem späteren Erzfeind Kingpin unbeliebt. Hier bekommt die Story einen sehr ernsten Ton: Der Gangsterboss lässt nämlich unter anderem Kinder entführen, um mit ihnen Filme zu drehen – man kann sich denken, was für Filme das sind. Matt muss eine 14-Jährige befreien, mit der er sich angefreundet hat. Hier maskiert sich der Held zum ersten Mal, ganz in schwarz (wie in der Netflix-Serie), und bewaffnet sich mit dem Schlagstock, den er als Junge einem Polizisten abgeluchst hat.

Stimmige Einführung in Daredevil

The Man Without Fear ist eine noch bessere Einstiegslektüre für Daredevil-Leser als Born Again: Man kann ohne jegliches Vorwissen der Story folgen und wird intensiv in die Grundkonflikte von Matt Murdock eingeführt. Seine Motivation wird im ersten Teil plausibel gemacht durch zwei Traumata: Zuerst wird er gehänselt und zusammengeschlagen, dann wird er zur Waise. Daraus speist sich sein Verlangen, dass sich Menschen an die Regeln halten, und zugleich lernt er, sich zu wehren, wenn sie es nicht tun. So wird aus ihm ein Anwalt mit einem Gerechtigkeitssinn und Fähigkeiten, ihn in auf zwei Weisen zu gebrauchen: einmal als Vertreter des Rechts, ein andermal als Vertreter der Gerechtigkeit. Es ist eine harte Welt, in der sich Murdock zurechtfinden muss: eine Welt, in der Menschen einander zum Spaß misshandeln und töten. Mit der Zeit härtet der Held ab und obwohl er niemanden umbringen will, nimmt er es in Kauf, wenn seine Gegner im Kampf draufgehen.

In gewisser Hinsicht ist The Man Without Fear stimmiger als Born Again, so gibt es zum Beispiel kein so übertriebenes Finale. Alles bleibt bescheiden und intim. Als Zeichner steht John Romita Jr. seinem Vorgänger David Mazzucchelli in nichts nach, allerdings sind seine Zeichnungen deutlicher düsterer und profitieren von den weniger grellen Farben. Und Frank Miller? Der erzählt, wie nur er es kann.

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Daredevil: Born Again

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Verraten und verkauft. Für nicht mehr als einen Schuss in die Venen. Karen Page ist nach ihrer Filmkarriere abgestürzt, jetzt ist sie ein Junkie. Und so kommt es, dass sie ihrem Dealer für den nächsten Kick verrät, wer hinter der Maske des Vigilanten Daredevil steckt: der Anwalt Matt Murdock, ihr Ex-Freund. Die Nachricht macht die Runde, bis hoch zum Kingpin, dem in jeder Hinsicht schwergewichtigen Gangsterboss. Er lässt zunächst alle umbringen, die von dem Umschlag mit dem Namen wissen, auch Karen gerät ins Visier. Dann geht er auf seinen Erzfeind los. Aber nicht, indem er ihn umbringt oder wenigstens öffentlich bloßstellt, nein, viel fieser: Der Kingpin vernichtet Daredevil systematisch, indem er ihm sein Leben zur Hölle macht.

Er ruiniert Murdocks Ruf, indem er einen Polizisten zu einer Falschaussage gegen ihn zwingt, sodass der Anwalt seine Zulassung verliert. Er friert Murdocks Konten ein, indem er die Finanzbehörde auf ihn hetzt. Schließlich lässt er Murdocks Haus in die Luft jagen. Der Vigilant wird zum Vagabunden. Er lässt sich gehen, ziel- und mittellos streift er umher, landet in der Gosse, wird vom Kingpin im Kampf zusammengeschlagen und von einem falschen Weihnachtsmann abgestochen. Tiefer kann man nicht fallen.

Frank Miller in Bestform

Der Comic Born Again, von Frank Miller und David Mazzucchelli, ist nicht bloß eine Leidensgeschichte, es die Passionsgeschichte schlechthin: vom Judas-Verrat über den Nahtod bis hin zur Pietà und der glorreichen Auferstehung, so der deutsche Titel. Daredevil, ein Selbstgerechter im Teufelskostüm, als Jesus-Figur. Nicht nur wegen dieses gewagten Konzepts gilt die Geschichte zu Recht als einer der besten Daredevil-, Marvel- und Superhelden-Storys, obwohl man die meiste Zeit den Superhelden kaum in Action sieht – und obwohl an diesem Helden zunächst wenig super ist. Der Rotmaskierte von einstmals, der blind war aber mit geschärften Sinnen Schurken bekämpfte, ergeht sich in seinem Schicksal, er verliert sich selbst. In einer der besten Sequenzen hockt Murdock in einem kleinen gemieteten Zimmer einer Bruchbude und grübelt sich in Rage über den Kingpin, beschließt, ihn zu töten, dann besinnt er sich, will ihn nur verprügeln, und obwohl die Entscheidung mit dem Türknauf näher rückt, sieht man ihn im letzten Panel auf dem Bett liegen und denken: „I’m tired.“ Bei Miller sind Superhelden stets gebrochene Typen mit Selbstzweifeln und Todessehnsucht.

Der Autor war Mitte der 80er Jahre, als Born Again entstand, in Bestform. In dieser Zeit schuf er mit The Dark Knight Returns und Year One auch zwei Klassiker für DC, über Batmans Ende und Anfang. Miller ist ein Meister des Erzählens mit Bildern und Worten. Er versteht es, das Innenleben seiner Charaktere in wenigen, harten Sätzen zu beschreiben, er drängt sie an ihre Grenzen und darüber hinaus, er hat ein Gespür für Spannungsaufbau mit Panels. Grandios ist geradezu eine vertikale Sequenz in der der Reporter Ben Urich am Telefon hört, wie ein Zeuge erdrosselt wird, während in der Redaktion die ahnungslosen Kollegen auf ihn einreden. Wir kommen seinem Gesicht immer näher, bis es am Ende fassungslos erstarrt ist und rot glüht. „Thank you for listening“, sagt die abgebrühte Mörderin am anderen Ende der Leitung. Nichts geht an den Figuren spurlos vorbei. Bei aller Härte verliert Miller nie den Bezug zur Menschlichkeit, im Gegenteil: gerade in den schlimmsten Situationen zeigt sich das, was den Menschen ausmacht. Im Verlauf der Jahre, als Miller zynischer wurde, ging ihm dieses Talent leider verloren.

Finale mit zwei Superpatrioten

Trotz seiner zum Teil überdeutlichen christlichen Symbolik ist Born Again auf den ersten 120 Seiten am gelungensten, bis der Held eine Art Kampf gegen eine Art böses Zerrbild seiner selbst führt – und damit buchstäblich gegen den Teufel. Leider flacht die Story in den letzten beiden Akten ab. Im Finale tritt Daredevil gegen den fanatisch-patriotischen Supersoldaten Nuke an, der vom Kingpin darauf angesetzt wird, den Helden zu töten. Nuke ist alles andere als ein interessanter Gegner mit Charaktertiefe, vielmehr das Klischee des tumben, waffenvernarrten Rednecks, der sich mit Aufputschmitteln in blinde Schießwut bringt. Und mit den Stars und Stripes im Gesicht ist er auch nicht gerade das Eichmaß des Subtilen. Das Problem an diesem Teil ist, dass der persönliche Bezug zwischen Held und Schurke fehlt. Dass am Ende auch noch das Gegengewicht, der Superpatriot Captain America auftaucht und zusammen mit den Avengers Thor und Iron Man, Aushilfspolizei spielt, ist erst recht zu viel des Guten. Auch dadurch verliert sich der Fokus der Story und damit die eigentliche Stärke, dass die inneren und äußeren Konflikte so tiefgreifende Folgen für die Charaktere haben.

Trotz dieser Schwäche ist Born Again ein überaus lesenwerter Comic und ist in 30 Jahren gut gealtert. Es hat nichts von seinen Qualitäten eingebüßt. Für Fans von Frank Miller ist das Werk ein Muss, für Daredevil-Neulinge ein perfekter Einstieg. Ursprünglich war geplant, die Story zu verfilmen, als Fortsetzung des ersten Daredevil-Films von 2003 mit Ben Affleck in der Titelrolle. Doch nachdem schon der erste Teil gefloppt war, ließ man von dem Plan ab. Dafür diente die Story als Inspiration für die dritte Staffel der Daredevil-Netflix-Serie.

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