Chip Zdarsky

Daredevil: Woman Without Fear

Marvel

Inmitten der Unruhen von Devil’s Reign kriegt es Elektra (alias Daredevil) mit Kraven the Hunter zu tun. Doch statt dass der Jäger sich auf seine Beute stürzt, läuft alles viel komplizierter: Elektras Anwerberin und Trainerin der Ninja-Organisation The Hand, Aka, lockt sie mit einer Botschaft heraus, die sie von Bürgermeister Wilson Fisk übergeben lässt. Elektra soll den Ort aufsuchen, an dem sie Matt Murdock kennengelernt hat: die Columbia University. Dort trifft sie zunächst einen alten Kommilitonen, Goldy, und redet mit ihm über alte Zeiten.

Elektra steigt dann in einen schicken Sportwagen und braust durch die Landschaft. Als Aka dann auf einer Klippe auftaucht, verschwindet diese wieder. Erst als Elektra zufällig einen Hirsch auf der Straße stehen sieht und von der Straße abkommt und dann zufällig in die richtige Richtung läuft, steht Kraven vor ihr. Nach einem kurzen Kampf entführt er Goldy (der Schurke ist jetzt Mitglied von Fisks „Thunderbolts“). Es kommt zum Showdown in einem Kino. Dann taucht noch mal Aka fürs Schlusswort auf – und verschwindet wieder in alter Ninja-Manier.

Wenn man das so nacherzählt, erscheint es seltsam bis sinnlos. Aber Autor Chip Zdarsky und Zeichner Rafael de Latorre schaffen es, ihre Story aufregend zu verpacken und davon abzulenken. Eine Prise Nostalgie hier (siehe Daredevil #168), ein bisschen Action da, und schon fällt gar nicht auf, dass die Handlung weit hergeholt ist. Überhaupt ist der Dreiteiler Woman Without Fear bloß ein typischer Tie-in, den man nicht unbedingt lesen muss. Hier wird ohnehin nur die nächste Storyline vorbereitet – mit dem Punisher.

Nicht viel sinnvoller erscheint der Kampf in Elektra #100, den die Titelheldin mit Typhoid Mary führt. Immerhin erfahren wir, dass Mary nicht unbedingt aus Liebe mit Fisk zusammen ist, sondern sich davon eine stabilere Psyche verspricht.

Der Band dient vor allem den Lesern, die Elektra nicht kennen oder sich ihre Erinnerungen auffrischen lassen wollen, wie damals alles begann. Somit ist Woman Without Fear eigentlich nur eine verkappte Origin-Story. Aber, was das angeht, eine intensive.

Devil’s Reign (Herrschaft des Teufels)

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Bürgermeister Wilson Fisk hat Wind davon gekriegt, dass er mal wusste, wer Daredevil ist (siehe Daredevil Vol. 7: Lockdown). Doch die Akte, die er über ihn hat, ist leer bzw. unverständlich. Irgendwas stimmt hier nicht … Also startet er eine Großoffensive, um die Geheimidentität seines Erzfeindes herauszukriegen. Erstens: Er erlässt ein Gesetz, das alle Superhelden in New York für illegal erklärt. Stattdessen patrouillieren die Thunderbolts, andere Superhelden bzw. -Schurken wie U.S. Agent, Rhino, Crossbones und Shocker. Nach und nach schalten sie die etablierten Helden mit Halsbändern aus, die ihre Kräfte blockieren. Reed und Sue Richards langen etwa im Knast.

Zweitens: Fisk verbündet sich mit Doctor Octopus und hält mit ihm Killgrave (the Purple Man) gefangen. Mit dessen telepathischen Kräften will er die nächste Bürgermeisterwahl für sich entscheiden. Außerdem will er Killgraves Kinder finden, damit sie ihm helfen sich zu erinnern. Doch „Doc Ock“ hat andere Pläne – mit weiteren Ocks aus Parallelwelten.

Daredevil und Daredevil (Elektra) verbünden sich mit den Spider-Men, Luke Cage, Jessica Jones und anderen Helden, um sich gegen Fisk zu wehren. Außerdem stellen sie Cage als Gegenkandidaten für die Wahl auf.

Chip Zdarsky hat mit seinem bisherigen Daredevil-Run nicht nur storymäßig den Weg für dieses Event geebnet, sondern auch qualitativ. Auch hier überrascht er mit einigen Wendungen, in denen die vielen Handlungsstränge zusammenlaufen.

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Daredevil by Chip Zdarsky Vol. 7: Lockdown

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ACHTUNG SPOILER!

Daredevil (Matt Murdock) arbeitet im Knast als FBI-Informant. Er vermutet, dass der Gefängnisdirektor versucht, ihn töten zu lassen – und behält damit Recht. Schon zuvor (Daredevil Vol. 6: Doing Time) wurde er vergiftet und beinahe von Insassen ermordet. Nun gehen sogar Wärter auf ihn los. Dann deckt er eine Verschwörung auf: Die Insassen werden mit einer Droge aggressiver gemacht, um wieder Straftaten zu begehen und die Gefängnisse zu füllen. DD probt den Aufstand.

In der Zwischenzeit sucht Bürgermeister Wilson Fisk einen außer Kontrolle geratenen Bullseye, den er eigentlich darauf angesetzt hat, Elektra (die neue Daredevil) zu töten. Bis es soweit ist, geht Bullseye aber auf New York los und tötet wahllos Menschen. Über die Stadt wird eine Ausgangssperre verhängt – ein Lockdown. In Pandemiezeiten lässt dieses Wort aufhorchen. Ein Killer, der wahllos Menschen tötet und sie vor Angst zu Hause bleiben lässt, das ist wohl Chip Zdarskys Allegorie auf das grassierende Virus.

Elektra versucht, Bullseye zu finden, genauso wie Spider-Man und andere Helden. Dann stellt sie fest: Es gibt mehr als nur einen, denn Kingpin hat Bullseye klonen lassen. Und wie bei Corona kann man das „Virus“ Bullseye nur mit vereinten Kräften besiegen. Elektra bekommt Hilfe von Typhoid Mary, die ebenfalls ein Daredevil-Kostüm anzieht. Dann muss Elektra dem Drang wiederstehen zu töten – Matt hilft ihr dabei.

Kampf gegen das Strafsystem

Es ist verblüffend zu lesen, wie elegant Chip Zdarsky seine Geschichte hier zu einem vorläufigen, aber dennoch runden Abschluss bringt. Gekämpft wird gegen äußere und innere Dämonen, aber auch gegen ein kaputtes System. Daredevil durchschaut nicht nur eine Verschwörung, sondern hält auch der Realität in den USA den Spiegel vor: Es gibt immer mehr Strafgefangene in den Gefängnissen (die zum Teil privat betrieben werden), Gefängnisse schaffen Jobs, während Insassen nicht mal als Arbeitslose gezählt werden. „Noboby wants fewer prisoners.“ Der reale Wahnsinn hat System. Der Knast, der dafür da sein soll, Menschen zu bessern, macht alles nur noch schlimmer.

Zdarsky schafft es in seinem Finale, immer wieder zu überraschen: Kingpin heiratet Typhoid Mary, nachdem sie ihn vor Bullseye gerettet hat. Er ist des Kampfes müde und setzt sich (scheinbar) zur Ruhe. Daredevil verprügelt Räuber nicht mehr, sondern nimmt ihnen nur die Beute ab und schickt sie nach Hause, um ihnen eine zweite Chance zu geben, sich zu bessern. Ein ganzes Kapitel (#36) nimmt sich Zdarsky für den Epilog Zeit, in dem nicht viel passiert, außer dass über alles abschließend geredet wird – unter anderem mit Gaststars wie Reed Richards. Am Ende haben wir zwei Daredevil, einen neuen Kingpin (Butch) und einen Hinweis darauf, dass Matts Identität erneut auffliegen könnte.

Doch davon später mehr. Die Serie Daredevil pausiert, während die Story weitergeht im sechsteiligen Event Devil’s Reign.

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Daredevil by Chip Zdarsky Vol. 6: Doing Time

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Daredevil sitzt im Knast, Elektra hat seine Rolle als Daredevil in Hell’s Kitchen übernommen (siehe Daredevil Vol. 5). Matt darf seine Maske aufbehalten, genießt also ein Sonderrecht, um seine Identität zu schützen. Naturgemäß ist er unter den Insassen unbeliebt, findet aber einen Freund. Als New York heimgesucht wird vom Symbiote Hive (dazu gehören auch Venom und Knull), wird nicht nur Typhoid Mary (Wilson Fisks Bodyguard) assimilliert, sondern auch Matt, der als Symbionten-Teufel daraus hervorgeht. Doch Matt wehrt sich gegen den bösen Einfluss. Als er die Gelegenheit bekommt, zu fliehen, entscheidet er sich für eine andere Lösung: den Elektrischen Stuhl …

In der Zwischenzeit rettet Elektra ein Mädchen vor ihrer Symbionten-Mutter und macht sie zu ihrem Schützling. Dann erklärt sie Kingpin Izzy den Krieg: Künftig soll sie 30.000 Dollar pro Monat an Schutzgeld an die neue Daredevil abdrücken. Wilson Fisks Sohn Butch soll Izzys Imperium in Hell’s Kitchen übernehmen. Der steht im Bund mit Matts „Bruder“ Mike (siehe Daredevil Annual #1).

Autor Chip Zdarsky versteht es, die Story in immer neue dramatische Höhen zu schrauben, bei denen man sich fragt: Wie kommt er da jetzt bloß raus? Tatsächlich gelingen ihm die Lösungen genauso gut wie die Probleme. Dass Elektra nach so kurzer Zeit ein Mädchen zum Sidekick macht und sie einer so großen Gefahr aussetzt, was sofort schiefgeht, ist allerdings der unglaubwürdigste Aspekt an der Geschichte.

Viel überzeugender ist es, wie die Charaktere weiter ausgelotet werden. Matt findet in einer Gefängnis-Psychologin einen neuen Beichtvater (oder eher Mutter, auch wenn es so etwas im Katholizismus nicht gibt), die ihm die Wahrheit über sich selbst offenbart: Sich selbst einsperren zu lassen ist kein Ausdruck von Gesetzestreue, denn er legt das Gesetz ohnehin stets so aus, wie es ihm gerade in den Kram passt. Außerdem dürfe er nicht erwarten, im Knast zu einem besseren Menschen zu werden – das gelinge niemandem. Doch auch als Matt einen Deal angeboten bekommt, und damit eine Möglichkeit, früher rauszukommen, sagt er zwar zu, will aber seine zwei Jahre absitzen. Der Katholik tut Buße.

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Daredevil by Chip Zdarsky Vol. 5: Truth/Dare

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Marvel

In den unendlichen Geschichten der Superhelden muss jedes Konzept einmal drankommen. Der triumphale Aufstieg am Anfang, der Niedergang bis zur Schaffenskrise, das Aufgeben – das kann Daredevil besonders gut -, eine große Liebe muss her, gerne auch zwei oder drei, der Tod der Geliebten, ein Sidekick darf auch nicht fehlen und schließlich muss jeder Superheld einmal sterben. Zu dieser Checkliste gehört auch, dass jeder mal eine Frau werden muss. Thor wurde weiblich, Wolverine – und jetzt auch Daredevil.

Nach der Schlacht um Hell’s Kitchen lässt sich Daredevil von Detective Cole North festnehmen, um sich seiner gerechte Strafe wegen Totschlags zu stellen. Wegen seiner Privilegien als Superheld darf er seine Maske aufbehalten und wird auf Kaution freigelassen. Nur für den Staatsanwalt Ben Hochberg macht DD eine Ausnahme und zeigt ihm, wer er wirklich ist – der ist nicht erfreut, denn Matt Murdock hat einst für ihn gearbeitet.

Elektra wird Daredevil

Bis zum Prozess steigt Matt wieder ins rote Kostüm und nutzt die Zeit bestmöglich, um Kriminelle hochzunehmen, unter anderem droht er zusammen mit Spider-Man Kingpin und den anderen Gangsterbossen. Dann bittet er Tony Stark (Iron Man), Hell’s Kitchen zu kaufen, das versteigert wird, und damit den bösen Stromwyn-Zwillingen zuvorzukommen, die es nur auf einen lukrativen Immobiliendeal abgesehen haben. Doch dann kauft jemand anderes die Nachbarschaft: Elektra.

Um Daredevil vor Gericht zu verteidigen, bestellt Foggy Nelson Matts Ex-Freundin Kirsten McDuffie ein, und weil sie nicht mehr weiß, dass Matt Daredevil ist, holt Foggy auch Matts Bruder Mike dazu, um sich als Matt auszugeben und die Illusion perfekt zu machen. Eigentlich ist Mike eine Erfindung von Matt, geboren aus der Not heraus (Daredevil #25) und nach einer Weile wieder gestorben (Daredevil #41), aber durch mysteriöse Umstände hat jemand das Fantasiekonstrukt wahr gemacht (siehe Daredevil #607). Mike ist nun ein Pseudo-Zwillingsbruder mit falschen Erinnerungen und einigen Gedächtnislücken.

Schließlich nützen auch die besten Anwälte nichts, denn Daredevil plädiert auf schuldig wegen Totschlags – und geht damit freiwillig in den Knast. (Nicht zum ersten Mal, wie man in Daredevil #15, 1966, sehen kann, aber auch bei Brian Michael Bendis bzw. Ed Brubaker.) Elektra besucht ihn dort, bittet um seine Hilfe, um die Organisation The Hand auszuschalten, DD weigert sich, weil er ihr nicht traut. Um sein Vertrauen zu gewinnen, wird Elektra zu Daredevil.

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Elektra als neuer Daredevil (Marvel)

Damit beschreitet die Serie einen interessanten Weg. Nicht nur weil Daredevil eine Frau ist, sondern auch weil Elektra ins Kostüm steigt und damit das genaue Gegenteil dessen darstellt, wofür das Kostüm steht. Die Berufsmörderin muss sich als brave Superheldin behaupten. Wie das gelingt, sieht man im nächsten Band.

Autor Chip Zdarsky bietet auch im fünften Teil seines Daredevil-Runs weiterhin beste Unterhaltung, die keine Seite langweilig ist. Emotionale Höhepunkte sind die Konfrontationen mit Spider-Man, der zunächst Daredevil das Kostüm verboten hat, dann aber selbst einiges einstecken muss, bevor es zur Versöhnung kommt – in Form einer Umarmung. Ein Annual widmet sich Mike Murdock, der mit einem Zauberstein seine Erinnerungen wiedererhält, sodass nachträglich eine konfliktreiche Jugend mit seinem Bruder entsteht. Mike verdingt sich als Gauner, mit Hütchenspielen und als Handlanger von Schurken. Schließlich wird klar, dass er ein Freund von Wilson Fisks Sohn Butch ist.

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Daredevil by Chip Zdarsky Vol. 3: Through Hell

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„Daredevil was a stupid idea“, sagt Elektra zu Matt, der ohne Kostüm, aber mit weißer Maske und Hemd das Verbrechen bekämpft. Da er aber viel von dem vergessen hat, was sein Lehrer Stick ihn einst gelehrt hat, will Elektra seine Ausbildung auffrischen, damit nicht wieder Menschen sterben. Er soll Selbstkontrolle lernen, und dabei auch etwas über sich selbst. Nachdem sie einen Möchtegern-Daredevil aus den Fängen der Polizei befreit und trainiert haben, beschließt Matt, nicht mehr das Verbrechen auf der Straße zu bekämpfen, sondern das System selbst zu ändern, das das Verbrechen verursacht.

Bürgermeister Wilson Fisk droht Owl, endlich den Frieden einzuhalten, den Fisk gefordert hat, als er sein Dasein als Verbrecher aufgab. Doch Owl weigert sich und setzt sein Gemetzel fort, um selbst die Unterwelt zu beherrschen: Zuerst tötet er Fisks Männer, dann die von Izzy Libris. Diese verbündet sich mit Hammerhead gegen Owl.

Wilson Fisk verliert die Kontrolle

Fisk sieht ein, dass er keine Macht mehr hat. Er verliert auch die Gewalt über sich selbst. Als er zu einem Essen bei Großunternehmern eingeladen ist, lässt er sich von einem Gast provozieren und schlägt ihn auf der Toilette tot. Fisks Lakai Wesley lässt die Leiche verschwinden und dafür einen armen Putzmann ermorden, damit es wie Selbstmord aussieht. Doch die Gastgeber, die Stromwyn-Zwillinge, durchschauen das Spiel und bestrafen Fisk, indem sie seine Marihuana-Pläne durchkreuzen, ihn verprügeln und aus dem Fenster werfen lassen.

In der Zwischenzeit macht Detective Cole North eine Veränderung durch. Nachdem er versucht, Spider-Man einzufangen, dreht der Held den Spieß um, entführt North und hält ihm eine Standpauke über wahres Heldentum und das Gesetz: „You want to save lives? Or ‚uphold the law‘?“Später konfrontiert ihn Matt in einem Diner und macht ihm klar, dass Cole als Polizist selbst bereits die Regeln zu seinen Gunsten verbogen hat, als er freikam, nachdem er einen Unschuldigen angeschossen hat. Die Polizei hat Befehl, sich aus Hell’s Kitchen rauszuhalten, Matt warnt North vor einem neuen Bandenkrieg und bittet ihn um Hilfe, die Korruption zu beenden.

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Cover zu Daredevil #12 (Marvel)

Matt und Elektra statten Gouverneur Kettle einen Besuch ab und stellen fest, dass die Stromwyn-Familie hinter dem Rückzug der Polizei aus Hell’s Kitchen steckt. Auf dem Rückweg stellt Elektra fest, dass Daredevil wieder in Hochform ist – was sie als Comeback deutet. Das wird dann mit Sex auf der Motorhaube gefeiert …

Während Erzschurke Fisk die Kontrolle verliert, gewinnt der Held sie wieder. Während Cole North am System festhält, wird ihm immer mehr klar, dass das System durchgehend faul ist – von der Politik bis hin zur Polizei, beherrscht von der Wirtschaftsmacht. Im dritten Daredevil-Band spitzt Autor Chip Zdarsky die Handlung geschickt, abwechslungsreich und spannend immer weiter zu.

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Daredevil by Chip Zdarsky Vol. 2: No Devils, Only God

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Matt Murdock hat als Daredevil aufgehört. Zwei Monate ist das jetzt her. Er arbeitet nur noch als Bewährungshelfer. Dann trifft er auf den Bruder des von ihm getöteten Einbrechers und die Vergangenheit holt ihn wieder ein. Nachahmer scheinen sein Erbe als Daredevil anzutreten.

In der Zwischenzeit gibt Wilson Fisk (Kingpin) sein kriminelles Imperium auf, um sich fortan künftig ganz dem Bürgermeisteramt und dem legalen Marihuanahandel zu widmen. Matt erfährt davon, als ihn eine Buchhändlerin, Mindy Libris, für die er sich interessiert, zum Essen einlädt und er feststellt, dass er bei der Libris-Mafia speist, angeführt von Isabelle „Izzy“ Libris.

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Coverausschnitt von Daredevil #8 (Marvel)

Man spielt mit offenen Karten. Wie schon beim Punisher in Know Fear liefert sich Matt ein Wortduell mit Libris über die Moral des Verbrechens. Ihrer Ansicht nach vertritt sie das kleine Übel, denn durch sie bleiben etwa die Mieten in Hell’s Kitchen bezahlbar. Auch rechtfertigt sie Gewalt als ein effektives Mittel, um eine gewisse stabile Ordnung aufrecht zu erhalten. Matt hält dagegen, dass Gewalt ein Rückfall in vorzivilisatorische Zeiten bedeutet. Er glaubt an die Regeln der Gesellschaft. – Doch da wird die Debatte gestört von einem Attentäter.

Matt Murdock muss Daredevil sein

Schon früher wird Matt aktiv, indem er die Polizei verständigt, sobald er ein Verbrechen in der Stadt hört, einmal wird er in zivil handgreiflich, um einen Jungen zu befreien, dazu zieht er sich nur eine notdürftige Maske über den Kopf. Im Laufe der Erzählung wird klar: Matt kann nicht anders. Seine Fähigkeiten (oder besser Gottes Gaben) zwingen ihn geradezu moralisch dazu, sie für das Gute einzusetzen. Am Ende rettet er sogar Detective Cole North vor einer Verschwörung seiner eigenen Kollegen.

Auch was die Frauen angeht, kommt es, wie es kommen muss: Matt bandelt mit Mindy an, doch dann taucht wieder Elektra auf, was in der nächsten Storyline weitergeführt wird …

Visuell ist das alles weniger elegant inszeniert als im ersten Teil. Lalit Kumar Sharma ist ein Zeichner, der seinen Zweck erfüllt, aber seine Figuren haben nicht dieselbe Feinheit und denselben Ausdruck wie die des Vorgängers, Marco Checchetto. In den sperrigen Zeichnungen fehlt es an Eleganz. Allein das letzte Kapitel von Jorge Fornés mit seinem sparsamen Stil, den Noir-Schatten und den flächigen Farben und sorgt für ein äußerst packendes Finale. Optische Höhepunkte bleiben aber die Cover von Julian Totino Tedesco und Chip Zdarsky selbst. Dessen Cover zu Ausgabe 8 zeigt eine wunderbare Variation von Leonardos Letzem Abendmahl.

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Daredevil by Chip Zdarsky Vol. 1: Know Fear

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Nach seinem Unfall und Nahtoderlebnis (siehe Death of Daredevil) hat sich Matt Murdock wieder regeneriert und versucht, mit Schmerzmitteln und schnellem Sex wieder zu sich zu finden. New York ist nicht mehr seine Stadt: Wilson Fisk (einst Kingpin) ist Bürgermeister (siehe Mayor Fisk) und toleriert keine Vigilanten mehr. Die Polizei hat Befehl, Superhelden festzunehmen. Als Daredevil drei Einbrecher angreift, stirbt einer dabei durch ein Schädeltrauma. Von da an wird der Held als Mörder gesucht.

Matt vermutet ein Komplott gegen ihn, doch Fisk beteuert seine Unschuld und alles deutet darauf hin, dass Matt – wenn auch unabsichtlich – tatsächlich einen Tod verursacht hat. Der neue Detective Cole North nimmt die Jagd nach Daredevil auf und schon bald darauf erwischt er ihn auch – mit einer Kugel.

Doch das sind nur zwei Wendungen in einem wendungsreichen Auftakt, den Autor Chip Zdarsky (Spider-Man: Life Story) uns da erzählt. In jedem Kapitel stecken spannende Ideen. Daredevil trifft auf Frank Castle alias den Punisher, auf seine Freunde von den Defenders und auf Spider-Man. Sie alle fragen sich, was in ihn gefahren ist, denn von da an benimmt er sich immer erratischer. Solange DD noch auf freiem Fuß ist, versucht er, gegen das Verbrechen vorzugehen (vor allem gegen Owls Drogenring) und Leuten zu helfen. Doch schon bald wird er genötigt, seine Maske aufzugeben – was er auch tut.

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Coverausschnitt zu Daredevil #2 (Marvel)

Einfühlsam erzählen Zdarsky und Zeichner Marco Checchetto von einem Daredevil, wie ihn schon Frank Miller (Born Again) meisterhaft inszeniert hat: als einen gebrochenen Mann, der gegen alle Widrigkeiten des Daseins ankämpft. Der noch am Boden liegend nicht aufgeben will – und es dann doch tut. Das Neue: Zum ersten Mal ist Daredevil direkt für einen Tod verantwortlich und muss sich mit einer Schuld auseinandersetzen. Interessanterweise tut er das aber nicht direkt, sondern leugnet das lange, wie auch die Erzählperspektive zunächst wechselt, um von der Verantwortung abzulenken, bis sie nicht mehr zu leugnen ist.

Höhepunkt in einer Reihe von Höhepunkten ist das Wortduell mit dem Punisher. Frank konfrontiert ihn mit dem Vorwurf, sich zu lange um das Morden von Verbrechern gedrückt zu haben, Daredevil beharrt aber darauf, dass dies nicht sein Weg ist und er sich von Frank distanziert. Die Debatte nimmt eine interessante Wendung, in der am Ende die alte moralische Frage unbeantwortet in der Schwebe bleibt.

Angereichert mit sensibel erzählten Episoden aus Matts Jugend ist Know Fear starker Anfang, der große Lust auf mehr macht, dabei zuzusehen, wie unser Held aus dieser großen Krise herauskommt. So muss ein Daredevil-Comic sein.

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