
Marvel
Ein Mann im Tierkostüm schwingt sich an einem Arm durch die Stadt, im anderen hält er einen Ganoven fest – ganz klar, das legendäre Cover kennt jeder: Das kann nur Batman sein. Sein erster Auftritt in Detective Comics #27 von 1939. Doch was ist das? 23 Jahre später sieht man das gleiche Motiv: diesmal keine Fledermaus, sondern eine Spinne in Rot, Blau und Schwarz. Das Gesicht ganz verdeckt von einer Maske, aber die toten weißen Schlitzaugen sehen ganz ähnlich aus. Nur das Cape fehlt.
So sprang am 5. Juni 1962 Spider-Man in die Welt. Geschaffen von Stan Lee und Steve Ditko, nicht mal ein Jahr nachdem Lee und Jack Kirby mit den Fantastic Four das Marvel Age of Comics begründet haben. Es folgte Hulk, der Versuch, das Monsterprinzip, das erfolgreich bei The Thing funktioniert hatte, auf einen weiteren Helden zu übertragen. Doch das Konzept hatte noch Startschwierigkeiten. Dann kam Spider-Man – und der schlug ein wie die Fantastic Four.
Niemand mag Spinnen?
Dabei wäre es fast schief gegangen. Zunächst einmal denkt niemand gern an Spinnen. Die Assoziation weckt in vielen Ängste. Verleger Martin Goodman war daher anfangs skeptisch. Zum zweiten konzipierte Jack Kirby Spider-Man ganz anders, als einen Kerl mit Netzpistole. Stan Lee war damit nicht zufrieden und ließ Zeichner Steve Ditko das Design völlig umkrempeln. Er schuf eine ikonische Figur, die bis heute (abgesehen von einigen Variationen) nahezu unverändert geblieben ist.
Zum dritten war auch der Mann hinter der Maske ein Wagnis, denn es war kein Mann, sondern ein Jugendlicher. Peter Parker geht noch zur High School. Bis dahin konnten Minderjährige bloß Sidekicks sein. Doch hier wurde ein unscheinbarer Nerd, ein gemobbter Streber und eine Waise zum Helden. Dass das Konzept funktioniert, konnte man schon bei Clark Kent sehen. Auch er ist in zivil ein Journalist und Außenseiter, der seine Lois nicht kriegt, und seine wahren Kräfte verbergen muss. Peter ist aber kein Strahlemann, er ist ständig in Not, hin und hergerissen zwischen Schule, seiner alten Tante May, Geldsorgen, seiner Arbeit als Fotograf beim Daily Bugle, wo er getriezt und ausgebeutet wird, und dem ehrenamtlichen Heldentum.
Ein Held voller Zweifel und Fehler
Während Clark Kent als Person ein langweiliges Leben führt, ist Peter Parker ständig in Not und Sorge. Schon in seiner Entstehung ist ein Konflikt angelegt: Nachdem er seine Kräfte durch den Biss einer radioaktiven Spinne erhält, nutzt er sie, um beim Wrestling Geld damit zu verdienen. Erst daraufhin legt er sich ein Kostüm zu und baut sich Netzkartuschen. Dann lässt er einen Dieb laufen, der daraufhin seinen Onkel Ben ermordet. Die berühmte Moral:
„With great power there must also come — great responsibility!“
Die Schuldgefühle wird Peter lange nicht los. Und er hat damit ein klares Motiv: Das darf nie wieder passieren. Trotzdem scheitert Peter, auch als Spider-Man, und er zweifelt an sich selbst. Das verleiht der Figur eine menschliche Tiefe, die man bisher kaum aus Superhelden-Comics kannte.
Dass man der Figur nicht viel zutraute, sieht man daran, dass sie zunächst nur in der Anthologieserie Amazing Fantasy herauskam und nur elf Seiten einnahm. Doch der erste Auftritt reichte, dass sie bald darauf ihre eigene Serie bekam: The Amazing Spider-Man. In den ersten zwei Ausgaben sind jeweils zwei Geschichten enthalten. Daran erkennt man, dass sie eigentlich für Amazing Fantasy gedacht waren. Erst ab Ausgabe 3 wurden die Abenteuer länger und erstreckten sich auch mal über mehrere Hefte.
Ditkos früher Ausstieg
Spider-Man tritt gegen eine Reihe von ebenso ikonischer Schurken an: der geflügelte Vulture, der achtarmige Doctor Octopus, der schwer zu fassende Sandman, Electro, Mysterio, später auch Green Goblin. Spider-Man wurde zum Verkaufsschlager, zusammen mit den Fantastic Four bildete er den zweiten Grundpfeiler des Marvel-Verlages, der noch viele weitere Helden wie die X-Men und die Avengers folgen ließ. Daredevil war zunächst sogar als eine Art Plagiat von Spider-Man angelegt, entwickelte sich dann aber zu einem eigenständigen Helden mit ganz anderen Qualitäten und Problemen. Ditko selbst erfand für Marvel noch Doctor Strange.
Doch nach 38 Ausgaben (und zwei Annuals), nachdem er gerade erst (mit Heft 33) zur Hochform aufgelaufen war, verließ Ditko den Verlag. Die genauen Gründe hierfür liegen bis heute im Dunkeln. Kein Geheimnis war, dass er sich nicht mit Stan Lee verstanden hat. Zuletzt sollen sie kaum noch miteinander gesprochen haben. Oft gingen ihre Vorstellungen auseinander. Zuletzt plottete Ditko sogar die Geschichten allein, Lee schrieb nur noch den Text dazu. Für Ausgabe 38 zeichnete Ditko nicht einmal mehr das Cover. Dafür übernahm der nicht minder geniale John Romita, aber das tat dem Erfolg keinen Abbruch. Stan Lee schrieb die Serie 100 Ausgaben lang, bis er nur noch Chefredakteur und später Herausgeber war.
Schon früh kam es auch zu Crossovern mit Daredevil:
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